SPÖ

Zwischen Corbyn und Macron

VON ARTHUR KRÖN

Es brodelt wieder. Den Sozialdemokraten wird in ganz Europa Dampf gemacht. Auch die SPÖ hat zu kämpfen. Sie versucht sich in einer, wie es scheint, europaweiten Identitätskrise der Sozialdemokraten neu zu erfinden. Mit altbewährten Werten und deutlicherer Sprache.

Die Sozialdemokratie ist eine große Familie. Parteien wie die SPÖ werden oft als big tent-Organisationen beschrieben, da sie ein breites Spektrum an politischen Gruppierungen und Meinungen beherbergen. Historisch finden die – ehemals Sozialistische – heute Sozialdemokratische Partei Österreichs und ihre europäischen Schwesterparteien ihre Ursprünge in den zahlreichen Arbeiterbewegungen des späten 19. Jahrhunderts. Heute versucht sie, dem Anspruch einer Volkspartei gerecht zu werden und eine breite Mehrheit der Bevölkerung zu repräsentieren – big tent eben. Wirtschaftspolitische Ziele entfernten sich zwangsläufig vom Sozialismus und orientieren sich heute an der sogenannten sozialen Marktwirtschaft. Offiziell wurde dieser Wandel im Juni 1991 als man die SPÖ von der Sozialistischen Partei zur Sozialdemokratischen Partei Österreich umtaufte.

Die 90er Jahre waren insgesamt eine Schlüsselzeit in der Entwicklung der linken Bewegung des Westens. Sie waren das Jahrzehnt, in dem sich die alten Arbeiterparteien neu definierten und durch einen Imagewechsel versuchten, eine breitere Schicht an Menschen anzusprechen. Diese Wandlung war die Antwort der Sozialdemokratie auf eine alternativlos erscheinende konservative Herrschaft in den Ländern des Westens. Sie zeigte Wirkung: In den Vereinigten Staaten löste Bill Clinton 1992 George H. W. Bush als Präsident ab. In Großbritannien kam 1997 Tony Blair an die Macht, nachdem die Politik für fast zwei Jahrzehnte von den Konservativen dominiert worden war. Und in Deutschland gewann Gerhard Schröder 1998 die Bundestagswahl gegen Helmut Kohl.

Clinton, Blair und Schröder – sie alle propagierten eine neue Version der traditionell linken Politik. Auf einmal wurden Startups, Steuererleichterungen und Wirtschaftswachstum zentrale Themen. Tony Blair und Gerhard Schröder entwarfen The Third Way, oder zu Deutsch: Die neue Mitte. Man versuchte einen Kompromiss zu finden, um sowohl die neue urbane Mittelschicht als auch die klassische sozialdemokratische Stammwählerschaft zu mobilisieren. Schrittweise schlossen sich fast alle traditionellen Arbeiterparteien Europas dem Weg dieser zwei umstrittenen aber in Wahlen erfolgreichen Politiker an und adaptierten die Politik ihrer Parteien entsprechend. Bis heute noch sind die Parteiprogramme fast aller Parteien der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament an den Third Way angelehnt.

Obwohl die Situation in Österreich eine andere war und man auf viele Jahre als Kanzlerpartei unter Kreisky zurückblicken konnte, war man in seinen wirtschaftspolitischen Positionen “gereift”. Zudem regierte Kreisky über ein Jahrzehnt mit einer absoluten Mehrheit, setzte den Leitspruch “Demokratie der Weg, Sozialismus das Ziel” offensichtlich aber nicht wirklich um. Es war Pragmatismus in die Arbeiterbewegungen Europas eingekehrt und auch in Österreich wurde der Kapitalismus als Wirtschaftsmodell akzeptiert. Doch seit einigen Jahren brodelt es wieder. Eben jener Pragmatismus, der Europa in den letzten 30 Jahren so viele sozialdemokratische Regierungen bescherte, führt jetzt dazu, dass sich viele Menschen, vor allem aus den unteren Einkommensschichten, von den traditionellen Arbeiterparteien abwendeten. Durch Maßnahmen wie der Agenda 2010 in Deutschland oder die Einführung der Studiengebühren in Großbritannien fühlen sich viele betrogen. Nicht umsonst der Protestslogan: “Wer hat euch verraten? Sozialdemokraten!” In Deutschland liegt die SPD in den Umfragen bei knappen 20 Prozent, die SPÖ kommt in Österreich selten über 25 Prozent hinaus. Noch schlimmer ist das Bild in anderen europäischen Ländern, wie Frankreich und den Niederlanden, wo die vormals glorreichen Arbeiterparteien in die Bedeutungslosigkeit rutschten. Heute wählt man als Progressiver in Frankreich Macron, als Linker Mélenchon und als Frustrierter Le Pen. In Deutschland ist die Situation ähnlich mit den Grünen, der Linken und der AFD. In Großbritannien folgte man dem Motto “Zurück zum Ursprung”, rückte wirtschaftspolitisch radikal nach links und erlangte somit die zahlenmäßig größte Wählerschaft in der Geschichte von Labour. In Dänemark bewegte man sich im Bereich der Migration stark nach rechts und bewahrte die Partei so vor dem Untergang. In Spanien versucht man es mit Charisma. Und in Österreich?

Europa ruht auf den Grundfesten der Sozialdemokratie

KOMMENTAR PRO

VON ARTHUR KRÖN

Eine starke Sozialdemokratie ist die Alternative gegen Rechtspopulismus. Sie erkennt das Grundproblem der Perspektivlosigkeit, bietet konkrete Politik zu ihrer Bekämpfung. Klimawandel, soziale Ungleichheit und das Diktat der Konzerne brauchen progressive Lösungen.

Europa ist in Not. Hört nicht auf konservative Politiker und ähnlich gesinnte Medien, die täglich sagen, dass die Union die Euro- und Finanzkrise erfolgreich überwunden habe und es der Menschheit insgesamt so gut gehe wie noch nie. Ein kurzer Blick über den Tellerrand genügt doch schon, um die erschreckende Realität, den Zustand unserer Union, zu erkennen. Wer diesen Zustand leugnet, der soll einen Spaziergang durch die Metropolen unseres Kontinents wagen und der Ungleichheit direkt in die Augen schauen. Obdachlose neben Wolkenkratzern, pfandflaschensammelnde Pensionisten neben Bentleys, ein ausgebrannter Grenfell Tower neben den Villen Kensingtons. Auch die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Seit Jahren steigt die Obdachlosigkeit in 27 der 28 Mitgliedstaaten. Die Durchschnittsgehälter von heute sind meilenweit von jenen vor der Finanzkrise entfernt. Von 2014 auf 2015 ist die Lebenserwartung innerhalb der EU zum ersten Mal sogar gesunken.

Der Grenfell Tower war ein sozialer Wohnbau in London, der aufgrund schlechter Wartung niederbrannte und 72 Menschenleben forderte.

Währenddessen wächst die Wirtschaft in der Eurozone seit 2015 jährlich um über zwei Prozent und die Banken haben sich von ihrem größten Crash seit Jahrzehnten erholt. Kurz, Europas Wirtschaft produziert Profite, doch die Menschen spüren kaum etwas von den Früchten ihrer Arbeit. Das führt neben Armut und Obdachlosigkeit langfristig zu Perspektivlosigkeit, eine der größten Gefahren für die liberale Demokratie. Wie jetzt schon zu beobachten ist, wenden sich immer mehr Menschen rechtspopulistischen Parteien zu. Sie sind auf der Suche nach Perspektive. Jegliche Veränderung sei besser als fortwährende Stagnation. Das Paradebeispiel: Brexit.

Anstatt diese Ängste weiter zu schüren, hat die Sozialdemokratie dieses Jahr eine Reihe von vernünftigen Lösungen vorgelegt. Sie hat die Krankheit erkannt und sich nicht von den Symptomen ablenken lassen. Der Grund dafür, dass unsere Generation vielleicht die erste sein wird, die ein ärmeres Leben als unsere Eltern führt, sind nicht die Flüchtlinge. Verantwortlich ist ein Wirtschaftssystem, das Länder gegeneinander ausspielt und den Steuer- und Arbeitsstandardwettbewerb nach unten befeuert.

Ein Unternehmen kann sich in unserem heutigen System aussuchen, wo es in der Europäischen Union seinen Sitz haben und wo es produzieren möchte. Logischerweise wird der Sitz dort sein, wo die Steuern am niedrigsten sind und die Produktion, wo die Produktionskosten am niedrigsten sind. Infolgedessen bleibt es Europäern verwehrt, von den durch ihren Konsum und ihre Arbeit geschaffenen Gewinnen durch steuerfinanzierte Leistungen zu profitieren. Seien es bessere Schulen, Straßen, Krankenhäuser oder Arbeitslosenversicherungen – der Bedarf ist jedenfalls mehr als dringend. Zusätzlich müssen sie mit prekären Arbeitsverhältnissen kämpfen und niedrige Mindestlöhne erdulden. Um multinationalen Konzernen die Stirn zu bieten, braucht es multinationale Lösungen.

Die Besteuerung der Gewinne an den Orten, an denen diese erwirtschaftet werden, soll zu einer einheitlichen Unternehmensbesteuerung führen. Ganz Europa soll in Zukunft von den Gewinnen dieser Konzerne profitieren können. Eine koordinierte Lohn und Arbeitsmarktpolitik würde Lohndumping innerhalb der EU bekämpfen und bessere Arbeitsverhältnisse schaffen. Öffentliche Investitionen, sozialer Wohnbau, bessere Sozialleistungen, finanziert durch ein gerechtes Steuersystem, würden die Wirtschaft ankurbeln und die Lebenssituation der Menschen verbessern. Es wäre wieder genug Geld da, um die immer schlimmer werdenden sozialen Probleme Europas zu bekämpfen – die Leute hätten wieder eine Perspektive. Es ist die Verantwortung des reichsten Kontinents der Welt, für seine Menschen zu sorgen und nicht von Großkonzernen gegeneinander ausgespielt zu werden.

Was durch konservative Sparpolitik zerstört wurde, kann durch ehrliche linke Wirtschaftspolitik wieder aufgebaut werden. Europa kann sein Versprechen endlich einlösen. Der Wohlstand ist da, er muss nur gerecht verteilt werden. Die Sozialdemokratie hat gezeigt, dass es möglich ist. Portugal ist ein gutes Beispiel – ein sozialdemokratisches Märchen. Nach der Finanzkrise eines der großen Sorgenkinder Europas, schreibt man nach vier Jahren linker Regierung das niedrigste Budgetdefizit seit vier Jahrzehnten. Die Wirtschaft wächst rapide und die Arbeitslosigkeit sinkt. Zusätzlich zahlt man sogar Schulden an den Internationalen Währungsfonds zurück.

Sozialdemokratie ist keineswegs lediglich eine zeitgenössische Erfolgsgeschichte. Sie hat eine Tradition, eine Geschichte, die in den Arbeiterbewegungen des späten 19. Jahrhunderts begann und vom Kampf für Frauenrechte, Minderheitenrechte und soziale Gerechtigkeit geprägt ist. Bis heute ist sie eine glaubwürdige Kraft für Fortschritt, wie es das diesjährige Wahlprogramm der SPÖ gut illustriert. Mit progressiver Wirtschaftspolitik, menschlicher Asylpolitik und radikalen Lösungen für den Klimawandel, kann Europa sein volles Potenzial ausschöpfen.

Im Europäischen Parlament ist die Sozialdemokratische Partei Europas die einzige linke Kraft, die der Dominanz rechter und neoliberaler Parteien etwas entgegensetzen kann. Ein Europa der Gerechtigkeit und des sozialen Friedens ist möglich. Ein demokratisches Europa, in dem die Bürger das Sagen haben und nicht die Großkonzerne. Es wird weiterhin Wolkenkratzer und Großkonzerne geben. Doch Rentner werden die Pensionen bekommen, die ihnen zustehen. Kein Europäer soll mehr durch zu hohe Mieten und Null-Stunden-Arbeitsverträge in die Obdachlosigkeit gezwungen werden. Dafür steht die Sozialdemokratie.

Wer ein progressives Europa will, wählt am 26. Mai die SPÖ.

Es ist Zeit, Abschied zu nehmen

KOMMENTAR KONTRA

VON JOHANNES DÓCZY

Ist eine Partei, die jegliche Oppositionsarbeit versäumen ließ, bereit für die großen Aufgaben, die im Europaparlament auf sie warten? Die glorreichen Zeiten der Sozialdemokratie sind vorüber.

Niemand in Europa zweifelt mehr am Sozialstaat, europäische Länder weisen den höchsten Lebensstandard und Wohlstand der Welt auf und das alles und noch vieles mehr dank jahrzehntelanger Herrschaft der Sozialdemokraten. In Frankreich erhielt der Kandidat der Sozialdemokraten, Benoît Hamon, als Dank bei der letzten Wahl 2017 gerade einmal etwas über sechs Prozent der Stimmen, in Deutschland erreichte die SPD unter Martin Schulz das schlechteste Ergebnis jemals. Und die österreichischen Sozialdemokraten scheinen sich in der Oppositionsrolle noch immer nicht eingelebt zu haben. Humor haben sie zumindest: In ihrem Wahlprogramm schreibt die SPÖ darüber, dass ihr Programm “kein Werk von PR-BeraterInnen und LobbyistInnen” wie bei der ÖVP und FPÖ sei. Sich kurz an den Nationalratswahlkampf zu erinnern hätte vielleicht nicht geschadet.

Was die SPÖ bräuchte, wäre ein feuriger Visionär, der die Partei wieder aufpäppelt. Der mit viel Energie ins bürokratische Europa hinausgehen und sich dort für die Ideen der Sozialdemokratie einsetzen kann. Andreas Schieder ist eindeutig das falsche Pferd: Als klassischer Familiensozialist ist er schon seit seiner Jugend dabei und hat fast schon jedes Amt bekleidet, das es in der SPÖ gibt – ein Berufsfunktionär aus dem Bilderbuch. Das sind ja prinzipiell keine schlechten Erfahrungen. Andreas Schieder ist auch sicher ein guter Volkswirtschaftler und kluger Kopf (vielleicht ein bisschen zu klug für die Parteigenossen). Aber das ist weder frischer Wind für die SPÖ noch eine Lichtgestalt für Europa.

Der SPÖ wird es bei der EU-Wahl am 26. Mai vermutlich so ergehen wie bei der letzten. Sie wird den zweiten Platz erreichen und ihre Politik weiterführen wie bisher. Es deutet alles daraufhin, dass keine großen Abweichungen vom Kurs der europäischen Sozialdemokraten zu erwarten sind. Nicht mehr lange und man wird sich an die fernen, alten Zeiten zurückerinnern, als die SPÖ noch Wahlerfolge feiern konnte. Schöne Zeiten waren es.

Wahlkampfthemen

VON ARTHUR KRÖN

  • Wirtschaft
  • Sozialpolitik
  • Gesellschaftspolitk
  • Megatrends

Wirtschaft

Die ersten Seiten des Wahlprogramms befassen sich mit dem Kampf gegen die Vermögens- und Einkommensschere und den Steuerbetrug. Es ist ein Versuch, sich von den anderen Parteien zu unterscheiden und eine eigene Identität zu finden.

Steuern

Steuern dort zu bezahlen, wo Gewinne erwirtschaftet werden, ist einer der ganz zentralen Forderungen der Sozialdemokratie. Große Internet-Konzerne wie Google und Facebook sollen in ganz Europa Steuern zahlen und nicht nur in Ländern wie Irland mit sehr niedrigen Körperschaftsteuern. Erstens sollen Unternehmen per Gesetz dazu gezwungen werden, ihre Gewinne und Steuern nach Ländern offenzulegen. Zweitens soll es verboten werden, dass Unternehmen ihren Standort wechseln, nur um Steuern zu entgehen. Und drittens fordern sie die Einführung einer digitalen Betriebsstätte, also die Zurechnung der Gewinne, auch wenn der Konzern nicht physisch präsent ist. Um den Steuerwettbewerb nach unten (Steuerdumping) zu bekämpfen, werden europaweite Mindeststeuersätze gefordert und eine Koppelung der EU-Förderungen an die Steuersätze des jeweiligen Landes.

Schulden

Die SPÖ kritisiert die europäische Sparpolitik. Die SPÖ fordert mehr Investitionen, um Märkte zu stimulieren. Der gezähmte Kapitalismus ist der rote Faden, der sich durch die wirtschaftspolitischen Ansätze der SPÖ zieht. “Wohlergehen, statt zerstörerischen Wettbewerb,” heißt es dazu im Wahlprogramm. Auf europäischer Ebene werden eine Reihe fiskalpolitischer Maßnahmen angeführt, um dieses Ziel zu erreichen: eine EU-weite Koordinierung der Lohnpolitik, mehr staatliche Investitionen, um den technologischen Fortschritt zu fördern, und eine Neuausrichtung der Eurozone, mit dem Ziel der Vollbeschäftigung. Ferner strebt man eine öffentliche Kapitalbeteiligung an strategisch wichtigen Unternehmen an. Das heißt, eine Teilverstaatlichung großer Unternehmen, die für die Sicherstellung von Arbeitsplätzen große Verantwortung tragen.

Fiskalpolitik umfasst alle dem Staat zur Verfügung stehenden Mittel im Bereich der Steuern und Staatsausgaben.

Handel

Äußerst ambitioniert ist man auch in der Handelspolitik. So fordert die SPÖ etwa eine sogenannte Globalisierungspause. Darunter verstehen sie eine Überprüfung der ethischen und ökologischen Standards und der Fairness der Steuerpolitik neuer Handelspartner. Diese Globalisierungspause wird als Grundbedingung für den Einstieg in neue Verhandlungen angeführt. Außerdem soll es demokratische Kontrolle über neue Handelsverträge geben. Europa soll seiner Verantwortung als größte Volkswirtschaft der Welt gerecht werden und seine propagierten Werte durch faire Handelspolitik in die Welt tragen. Zum Schutz der eigenen Wirtschaft und der Löhne werden zudem Schutzzölle gegen Lohndumping gefordert.

Löhne die unter den nationalen Mindestlöhnen oder Kollektivverträgen liegen. Meist entsteht Lohndumping durch Wettbewerb mit Ländern in denen Produktion billiger ist.

Digitalisierung

Während man die europaweite Online-Medienkultur fördern möchte, zum Beispiel durch den Ausbau des 5G Breitband Internets, wird gleichzeitig ein Recht auf Abschalten gefordert. Angestellten soll es ermöglicht sein, ihre beruflichen Mails und Anrufe während ihrer Freizeit unbeantwortet zu lassen. Weiters sollen Angestellte der Online-Plattformen, wie Uber-Fahrer oder Freelancer, dieselben Rechte bekommen wie Menschen, die bei einem herkömmlichen Unternehmen arbeiten. Die SPÖ stimmte auch gegen die Urheberrechtsrichtlinie und spricht sich klar für die Netzneutralität, also den Grundsatz, dass alle Daten im Netz gleich behandelt werden, aus.

Sozialpolitik

Wohnbau

Die SPÖ strebt die Senkung der Mieten auf ein Viertel des Einkommens an. Erreicht werden soll das durch europaweiten sozialen Wohnbau und langfristige Miet- und Preisobergrenzen. Unternehmen wie Airbnb sollen reguliert werden, um zu verhindern, dass Kurzzeitvermietungen für touristische Zwecke den Wohnraum beeinträchtigen.

Mindeststandards

Ein Beispiel wären europaweite Lohnuntergrenzen, die dafür sorgen sollen, dass sich das Lohnniveau in allen Mitgliedstaaten kontinuierlich verbessert. Ebenso sollen branchenspezifische Kollektivverträge auf europäischer Ebene ausgehandelt werden, um Lohndumping zu verhindern. Zusätzlich soll es Mindeststandards bei den verschiedenen Arbeitslosenversicherungen der Mitgliedstaaten geben, die eine aktive Arbeitsmarktpolitik unterstützen sollen.

Ein Kollektivvertrag ist der Mindestlohn, den sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter einer bestimmten Branche aushandeln.

Arbeitszeit

Um dem Prekariat (also jener Bevölkerungsgruppe, die durch die Unsicherheit ihrer Erwerbstätigkeit ständig vom sozialen Abstieg bedroht ist) Aufstiegschancen und Perspektiven zu garantieren, schlägt die SPÖ ein europaweites Verbot der Null-Stunden-Verträge in Kombination mit einer Stärkung der Betriebsräte (Arbeitnehmervertreter) vor. Dieses Set an Maßnahmen soll unter anderem dazu führen, dass es zu europaweiten Arbeitszeitverkürzungen kommt, bei vollem Lohnausgleich und mit dem Ziel einer 30-Stunden Woche.

Null-Stunden-Verträge sind Arbeitsverträge, in denen eine Mindestbeschäftigungszeit von null Stunden festgelegt ist – “Arbeit auf Abruf”.

Gesellschaftspolitik

Geschlechter-Einkommenslücke

Bezüglich der Lohnschere zwischen den Geschlechtern positionieren sich die  Sozialdemokraten traditionell feministisch. Im Wahlprogramm finden sich eine Frauenquote von 40 Prozent in Führungsebenen, eine Karenz für beide Elternteile und der Rechtsanspruch auf ein bezahltes Papamonat.

Jugendpolitik

Gratis Interrail-Tickets zum 18. Geburtstag, eine Ausbildungsgarantie für alle unter 25 nach österreichischem Vorbild, ein Verbot unbezahlter Praktika und eine Senkung des europaweiten Wahlalters auf 16 Jahre.

Demokratie

Ein oft erhobener Kritikpunkt gegen die Europäische Union ist ein Demokratiedefizit und die Dominanz der Wirtschaft. Die SPÖ fordert ein Lobbyregister. Das soll zu mehr Transparenz führen, da man dadurch zurückverfolgen könnte, welche Unternehmen zu welchen Politikern Kontakt aufgenommen haben. Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft sollen zusätzlich mehr Mitspracherecht bekommen. Ein weiterer Vorschlag, der in diese Richtung geht, ist die Einführung EU-weiter Sammelklagen.

Megatrends

Klimawandel

Große Probleme brauchen radikale Lösungen. Der Klimawandel ist unumstritten solch ein großes Problem. Die SPÖ hat dazu eine Reihe an Lösungsvorschlägen ausgearbeitet, die fast jeden Bereich des täglichen Lebens beeinflussen würden. Das erklärte Ziel ist, Europa bis 2030 CO2-neutral und klimafreundlich zu machen. Um Emissionen zu verringern, wird der Ausbau der E-Mobilität und der europäischen Schienennetze gefordert. Zusätzlich soll es eine europaweite CO2Steuer geben, von der auch Importe betroffen wären. Plastikmüll soll bis 2025 um 50 Prozent verringert werden. Für Mikroplastik strebt man sogar ein komplettes Verbot an.

Steuer auf durch CO2-Ausstöße erwirtschaftete Gewinne.

Migration und Asyl

Die SPÖ steht hier vor einem Dilemma. Einerseits möchte man die zur FPÖ übergelaufenen Wähler zurückgewinnen. Andererseits muss man aufpassen, die neuen von den Grünen dazu gewonnenen nicht wieder zu verlieren. Unter dem Titel “eine menschliche und realistische Asylpolitik” wird folgendes System vorgeschlagen: Sowohl an der EU-Außengrenze als auch in der Nähe von Herkunftsländern soll es Verfahrenszentren geben. Zusätzlich soll es eine europäische Seenotrettung geben. Asylverfahren sollen außerdem nicht länger als drei Monate dauern. Menschen mit erfolgreichen Anträgen wären gemäß einer EU-Quote unter den Mitgliedstaaten zu verteilen. Ferner soll ein europäischer Solidaritätsfonds Gemeinden bei der Integration unterstützen. Auch der Rückführungsprozess soll verbessert werden, unter anderem durch verstärkte Kooperation mit Ländern Nordafrikas.

Who is who

Andreas Schieder: Früher Klubobmann und Außenpolitischer Sprecher. Der gescheiterte Bürgermeisterkandidat für Wien tritt nun als Spitzenkandidat für die EU-Wahlen an.

Julia Herr: Die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend bezieht einen hoffnungsvollen Listenplatz.

Pamela Rendi Wagner: Früher Tropenmedizinerin, heute Parteichefin. Christian Kern hinterließ ihr eine Partei in Aufruhr. Kann sie die SPÖ in ruhigere Gewässer fahren?

Thomas Drozda: Repräsentiert den alten Kern-Flügel und ist ein enger Vertrauter Rendi Wagners.

Michael Ludwig: Dem Bürgermeister Wiens wird oft nachgesagt, er repräsentiere den rechten Flügel der Partei. Heute ist er unumstritten einer der mächtigsten Personen in der SPÖ.