Europa Jetzt & KPÖ Plus
The Underdogs
VON BENEDIKT HANSA
Europa Jetzt
Die Grünen leben Recycling. Nach Peter Pilz bei den Nationalratswahlen bekommen die Grünen bei den kommenden Europawahlen wieder Konkurrenz durch ein ehemaliges Mitglied. Den Spitzenkandidaten von Europa Jetzt, Johannes Voggenhuber. 1982 zog er als erster Grüner Europas in eine Stadtregierung, jene Salzburgs, ein. Von 1988 bis 1991 war er Bundesgeschäftsführer der Grünen, später Nationalratsabgeordnete und von 1995 bis 2009 Abgeordneter zum Europäischen Parlament. Während er ein harscher Kritiker des EU-Beitritts 1995 war, ging er als Parlamentarier zu kritischer Reformarbeit über. Voggenhuber entwickelte sich zu einem glühenden Pro-Europäer. Bei den Europawahlen 2009 verwehrten ihm die Grünen jedoch in einer Kampfabstimmung gegen Ulrike Lunacek, erneut für sie als Spitzenkandidat anzutreten. Voggenhuber kehrte der Partei darauf den Rücken. Zehn Jahre später folgt das Comeback: Der Ex-Grüne gründet die Liste Europa Jetzt. Unterstützt wird er durch die im österreichischen Parlament vertretene Partei Jetzt (vormals Liste Pilz).
Die Liste tritt für eine weitere Demokratisierung der EU ein: Dem EU-Parlament solle als direkter Vertreter der Bürger mehr Macht zukommen. Die Liste Jetzt fordert Mehrheitsentscheidungen in allen Bereichen. Europaweite Volksabstimmungen sollen außerdem verhindern, dass die EU ein „Projekt der Eliten“ würde, und zu mehr Bürgerbeteiligung führen.
Das „Steuer und Sozialdumping“, das von den nationalen Regierungen vorangetrieben werde, solle durch gemeinsame Steuern, Mindestlöhne und Sozialstandards unterbunden werden. Eng damit verbunden ist die Forderung nach einem europäischen Finanzausgleich zwischen reichen und armen Regionen. Der Ausgleich soll die Schaffung eines Gemeinwesens fördern. Er kritisiert die Sozialdemokraten, die den Schritt zu europäischen Sozialtransfers und einer echten Sozialunion verweigern würden. Ferner sollen die Anstrengungen, die Pariser Klimaziele zu erfüllen, durch öffentlichen Druck erhöht werden. In der Asylpolitik fordert die Liste gemeinsame Lösungen. Europa Jetzt möchte an der Einigung Europas mithelfen – Johannes Voggenhuber spricht, wie auch die Grünen, von der „Republik Europa“ (auch wenn er für sich reklamiert, den Begriff im grünen Vokabular etabliert zu haben).
Zwar hat Europa Jetzt (noch) kein Wahlprogramm veröffentlicht. Sie präsentiert in ihrem Manifest jedoch grundsätzliche Visionen, wie es mit der EU weitergehen soll. Unklar ist bis jetzt auch noch, welcher Fraktion die Partei im Europäischen Parlament beitreten würde. In Umfragen befindet sich die Liste zwischen zwei und vier Prozent und kratzt damit an der vorgegeben Sperrklausel von vier Prozent. Wenn Europa Jetzt in das EU-Parlament einzieht, dann also ziemlich sicher nur mit einem Mandatar: Johannes Voggenhuber.
KPÖ PLUS – European Left
Die Kommunistische Partei Österreichs hat die erste Hürde auf dem Weg in das Europäische Parlament gepackt. Sie sammelte erfolgreich die notwendigen 2.600 Unterstützungserklärungen – eine Herausforderung, an der sechs weitere Parteien scheiterten. Die KPÖ Plus steht damit am 26. Mai in ganz Österreich am Wahlzettel. Mit der 35-jährigen Katerina Anastasiou schickt die Kommunistische Partei Österreichs als einzige Partei eine Nicht-Staatsbürgerin als Spitzenkandidatin ins Rennen. Ein klares Zeichen für die pro-europäische Ausrichtung der Kleinpartei.
Das „Plus“ führt sie seit dem Zusammenschluss mit den jungen Grünen 2017 im Namen. Es soll verdeutlichen, dass sie sich als Plattform versteht.
Die gebürtige Griechin lebt seit ihrem 21. Lebensjahr in Wien. Seit 2015 arbeitet sie bei einer Stiftung der europäischen Linken und engagiert sich für Geflüchtete und Migranten. Sie kandidiert bei der EU-Wahl, um etwas gegen das „vergiftete gesellschaftliche Klima“ zu tun und um Schwarz-Blau auf europäischer Ebene zu verhindern. Mit der KPÖ Plus möchte sie der „neofaschistischen Rechte“ entgegentreten, die eine Politik des Rassismus und des Patriarchats betreibe. Jene rechten Parteien würden dadurch von der Ungleichheit in der Gesellschaft ablenken wollen. Sie würden die ökonomische Unabhängigkeit der Frauen rückgängig machen und eine Kürzungspolitik gegenüber finanziell schlechter gestellten Bürgern betreiben.
Die KPÖ Plus fordert nichts Geringeres als einen Neustart der EU-Verträge. Weg von einer „EU der Banken, Lobbys und Konzerne“ hin zu einem Wirtschaftssystem, das weder Menschen noch Umwelt ausbeutet. Auf europäischer Ebene möchte sie die soziale Ungleichheit beenden. Mit einem europaweiten Mindestlohn und einer Art europaweiten Mindestsicherung – auch für Nicht-Staatsbürger – soll gegen den von Konservativen und Sozialdemokraten propagierten Neoliberalismus vorgegangen werden. Katerina Anastasiou zitiert den Globalisierungskritiker Jean Ziegler: „Entweder wir zerstören den Kapitalismus oder der Kapitalismus zerstört uns.“
Die KPÖ ist gegen die Einführung einer EU-Armee. Sie möchte stattdessen alle Verbindungen mit der NATO kappen und Europa nach dem Vorbild Österreichs atomwaffenfrei und neutral machen. Eben jener Militarismus würde andere Nationen zum Vorteil der EU ausbeuten und so Fluchtursachen schaffen. Er sei so auch für den „Massenmord im Mittelmeer“ verantwortlich. Für die Partei ist nicht die Migration das Problem, sondern der Reichtum einiger weniger Privilegierter. Grenzen sollten abgeschafft werden. Stattdessen fordert die KPÖ eine solidarische „Willkommenskultur“.
Zwar sitzt die Kommunistische Partei Österreichs seit 1959 nicht mehr im Nationalrat, durch ihre Gründung 1918 gilt sie jedoch als Altpartei. Derzeit entsendet sie zwei Abgeordnete in den steirischen Landtag und ist sonst nur auf lokaler Ebene vertreten. Auf europäischer Ebene ist sie Mitglied in der Fraktion der Europäischen Linken. Bei der letzten EU-Wahl erreichte die KPÖ in Österreich in einem Wahlbündnis zwei Prozent der Stimmen und verfehlte damit den Einzug in das EU-Parlament. Ob sie dieses Jahr Teil des „Bündnis gegen Rechts“ in Straßburg werden kann, wird sich erst zeigen. In Umfragen geben 2–4 Prozent der Befragten an, die KPÖ wählen zu wollen.