DIE GRÜNEN
Die Grünen – eine Traditionspartei
VON UNA NOWAK
Zwentendorf an der Donau und die Hainburger Au – Orte, an denen österreichische Geschichte geschrieben wurde. Grüne österreichische Geschichte. Treibt man heute die schöne blaue Donau hinab, an Zwentendorf vorbei, so muss man sich schon anstrengen, Gefallen an diesem großen grauen Betonklotz direkt am Ufer zu finden. Zu sehr stört er die Unberührtheit der Natur. Die Rede ist vom Kernkraftwerk Zwentendorf, das 1978 fertiggestellt wurde. Die Grünen beschreiben es heute als das “sicherste Atomkraftwerk der Welt” – tatsächlich ist es ist nie in Betrieb genommen worden. Verantwortlich dafür war nicht nur die Volksabstimmung, die mit 50,47 zu 49,53 Prozent haarscharf gegen die Inbetriebnahme ausfiel, sondern auch die zahlreichen Proteste. Die unzähligen Menschen, die damals als Grüne der ersten Stunde auf die Straßen gingen. Sechs Jahre später wiederholt sich die Geschichte. Diesmal nicht in Zwentendorf, sondern in der Flusslandschaft Hainburger Au. Diesmal kein Atomkraftwerk, sondern ein geplantes Wasserkraftwerk, dem die Natur weichen sollte. Auch diesmal sind es die Demonstrationen, die Besetzung der Donauauen durch unzählige Menschen, die das Vorgehen stoppen konnten.
Die beiden Geschichten trugen maßgeblich dazu bei, die Wertschätzung des Umwelt- und Artenschutzes in Österreich zu etablieren. Darüber hinaus traten für viele Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeiten der direkten Demokratie erstmals derart öffentlichkeitswirksam in Erscheinung, sodass das österreichische Demokratiebewusstsein richtungsweisend gestärkt wurde. Sie, diese Massenbewegungen, legten zusammen mit anderen lokalen Bürgerinitiativen den Grundstein für die Gründung einer grünen Partei in Österreich. 1986 setzte sich Freda Meissner-Blau, die erste Klubchefin der Partei, erfolgreich durch und schaffte den Sprung in den Nationalrat.
Über die Jahre hinweg leisteten die Grünen erfolgreiche und für die Regierungsparteien unangenehme Oppositionsarbeit. Fast durchgehend konnten sie ihren Stimmenanteil steigern und wurden 2006 mit über elf Prozent der Stimmen erstmals gemeinsam mit der FPÖ drittstärkste Partei im Österreichischen Nationalrat. Speziell für ihren Kampf gegen Korruption und ihrer Arbeit als „Aufdeckerpartei“ (federführend war hier Gründungsmitglied Peter Pilz) ernteten die Grünen öffentliche Anerkennung.
Entgegen ihrer früheren Standpunkte sind die Grünen heutzutage eine durch und durch pro-europäische Partei. Tatsächlich misstraute die Partei nämlich der kapitalistischen und westlichen Orientierung und den schwachen Umweltstandards der Europäischen Gemeinschaft (also dem direkten Vorgänger der EU) vor 1995. Darüber hinaus fanden sie die Asyl- und Migrationspolitik zu restriktiv. Nachdem die Österreicherinnen und Österreicher jedoch mit einer Zweidrittelmehrheit dem Beitritt zur Europäischen Union zugestimmt hatten, akzeptierten die Grünen das Ergebnis und stimmten anschließend im Nationalrat für die Ratifizierung des EU-Beitrittsvertrages. Johannes Voggenhuber, der heutige Spitzenkandidat der Liste Europa, zog damals als Grüner ins Europaparlament ein. Seit 1995 setzen sich die Grünen durchwegs für nachhaltige Politik und ein solidarisches Europa ein – mit Erfolg.
Für die Grünen sah es bis zur letzten Nationalratswahl nicht so schlecht aus. Doch seit dem desaströsen Ergebnis der letzten Nationalratswahlen im Jahre 2017, bei der die Grünen mehr als zwei Drittel ihrer Wählerschaft verloren und obendrein auch noch aus dem Nationalrat flogen, steht es nicht mehr so gut um die „Grüne Alternative“. Viele Gründe wurden angeführt. Sie reichten vom öffentlich ausgetragenen Streit mit den Jungen Grünen, über die Durchsetzung des Hochhausprojekts am Wiener Heumarkt, bis hin zur Abspaltung Peter Pilz’. Auch der sogenannte „Zurechtweisungsdiskurs“, der „erhobene Zeigefinger“ und die Konzentration auf Identitätspolitik sind immer wieder Kritikpunkte. Die Ursachen für das Scheitern mögen vielschichtig und komplex sein. Fakt ist, dass die Grünen großteils den Anschluss zu ihrer Wählerschaft verloren und „in einem historischen Moment total versagt haben“, wie es selbst der Bundessprecher und Spitzenkandidat Werner Kogler eingestehen musste.
An sich klingt das Manifest seit der Gründung der Grünen ganz einfach und einleuchtend: Wir treten ein für die Umwelt und Menschenwürde. Wir machen zukunftsorientierte nachhaltige Politik für die Vielen, nicht für die Wenigen. Wir sichern und stärken Grund- und Menschenrechte. „Basisdemokratisch, gewaltfrei, ökologisch, solidarisch, feministisch, selbstbestimmt“ – so prägnant formulierten die Grünen im Jahr 2001 noch ihre Grundwerte im Grundsatzprogramm der Partei. Ob es ihnen gelingt, ihre Werte für die kommenden Europawahlen auch so deutlich zu vermitteln, wird sich zeigen.
Die Grün*Innen:
Gegen eine Politik
der eierlegenden Wollmilchsau
KOMMENTAR KONTRA
VON PETER MAYRHOFER
Als Finanzierungsgrundlage unseres Wohlstandskuchens dienen transnationale Unternehmen und ihre größten finanziellen Nutznießer (Aktionäre und Management), die kapitalistische Exzesse im Sinne der Umverteilung auszugleichen haben. „Die Wirtschaft sollte den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Die Milliardensummen an Profiten der Großkonzerne sollen besteuert werden, sodass alle einen gerechten Beitrag ins System zahlen“, liest es sich im Pro-Kommentar weiter unten. Dem ist voll und ganz zuzustimmen. Nur scheinen die Urheber dieses Gedankenguts, namentlich das grüne Parteiprogramm, einen wichtigen Punkt übersehen zu haben. So ist es ebenso eine Grundlage unserer modernen Gesellschaft, dass jene, die nicht vollständig Teil dieses Kreislaufs sind, in dem Fall als gesellschaftlich Benachteiligte bezeichnet, durch Ausgleichsmaßnahmen so lange zu unterstützen sind bis sie wieder den Weg zurück gefunden haben. Möglich wird dieser Ausgleich, wie im obig zitierten Satz gefordert, durch die gerechte Besteuerung von erwirtschafteten „Profiten“.
Nur spießt es sich hier am Wort „gerecht”: In den Augen der Grünen ist eine gerechte Besteuerung weit über dem Steuersatz, für den es sich lohnt, Höchstleistungen zu erbringen. Warum soll ein wirtschaftlich erfolgreiches Individuum, das für diesen Erfolg hart gearbeitet und viel Zeit und Energie investiert hat, die Früchte seines Erfolges all jenen abgeben, die in der Zeit aus schlichtem Desinteresse nichts weitergebracht haben? Nicht allen hat das Schicksal wirtschaftlich das Rückgrat gebrochen, auch wenn Ausnahmen die Regel bestätigen. Nun ist es vollkommen legitim, einen Teil des Kuchens der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, denn diese schafft die Rahmenbedingungen für individuellen Wohlstand. Nur bei den geforderten „gerechten“ Steuern werden dann die Großkonzerne ihre Milliardensummen an Profiten woanders erwirtschaften wollen, wo die Rahmenbedingungen besser sind. Als Konsequenz wird nicht mehr viel von dem Kuchen übrig sein, den man ursprünglich verteilen wollte. Auch könnten bei einem großen Wahlerfolg der Grünen die für den kompetitiven Export wichtigen Freihandelsabkommen fallen, wird doch in diesem Kontext meist hysterisch nach dem berühmten „Chlorhuhn“ oder der „Wasserprivatisierung“ gerufen.
Menschen müssen sich fortbewegen. Für die Umwelt und das Klima am besten nicht auf Autobahnen und schon gar nicht in der Luft (darum auch keine dritte Landebahn in Schwechat). Wie soll man aber umweltfreundlich und effizient von A nach B gelangen, wenn sämtliche Neubauprojekte des für die gesamteuropäische Verkehrswende integralen Ausbaus von Eisenbahnen durch oftmals grüne Lokalpolitiker effizient verhindert oder zumindest um Jahrzehnte verzögert werden? Woher soll der Strom kommen, wenn weder die Wasserkraft (der Protest gegen einen Kraftwerksbau resultierte in der Gründung der Partei) noch Windparks aufgrund des Schutzes lokaler Fauna verhindert werden? Es gleicht Heuchelei, eine Verkehrswende zu fordern, aber gleichzeitig die Konsequenzen nicht mitzutragen. Irgendwo wird man Abstriche machen müssen.
Das grüne Parteiprogramm (das übrigens noch aus den Zeiten Johannes Voggenhubers stammt) lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Man fordert umfassende Maßnahmen für sozial Schwächere, Benachteiligte, junge und alte Personen, ohne sich dafür die Finanzierung überlegt zu haben. Das Paket klingt an der Oberfläche ganz gut: jeder darf leben, arbeiten, sich ausbilden wo und vor allem wie er möchte, ohne sich bei persönlichem Scheitern große finanzielle Sorgen machen zu müssen. Nur bei der Frage nach der Finanzierung wird immer auf die Großkonzerne, die „Giga-Multis“, die Spekulanten und deren Milliardenprofite verwiesen. Über die Konsequenzen des Übermelkens dieser eierlegenden Wollmilchsau hat sich aber noch keiner Gedanken gemacht.Und außerdem: Mit der Liste Jetzt und EU-Wahl-Spitzenkandidat Voggenhuber tritt der Mann an, der das grüne Wahlprogramm erfunden hat. Wieso also die Grünen wählen, wenn man das erfahrene Original haben könnte? Für jene, die sich in die DDR oder nach Venezuela (zurück-)sehnen, kandidiert die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, Julia Herr (SPÖ). Welchen Platz haben nun die heutigen Grün*Innen noch, gefangen in ihrer Welt der Radfahrenden, Advocadotoastessenden, und Gendernderndernden?
Geht’s den Hacklern gut,
geht’s den Frauen gut,
geht’s der Umwelt gut
KOMMENTAR PRO
VON SIMEON GAZIVODA
Die Grünen beantworten diese komplexen Fragen oft mit komplexen Antworten – und treffen damit oft auf Unverständnis. Deshalb lohnt sich ein genauer Blick darauf, wie „Grün“ nun denkt.
Grüne Bewegungen und grüne Parteien werden (zurecht) meist mit Umwelt- und Klimaschutz in Verbindung gebracht. Als eine von wenigen Parteien im Europaparlament behandeln die Grünen die Klimakrise nämlich tatsächlich als Krise, und benennen sie auch als solche. Gleichzeitig verstehen sie, dass diese Krise untrennbar von wirtschaftlichen und sozialen Fragen ist. Grüner Umweltschutz bedeutet, dass die Klimakrise nicht individualisiert wird, sondern systematische Veränderungen gefordert werden. Anstatt „nur“ E-Cars zu fördern und Leuten vorzuwerfen, in den Urlaub zu fliegen, bedarf konsequenter Umweltschutz nämlich nachhaltigen und grundlegenden Systemänderungen, ob nun in der Agrarwirtschaft, im Transport, in Produktionsketten oder im globalen Handel (Stichwort Freihandelsabkommen!).
In diesem Sinne entlarvte der grüne Europaparlamentarier Michel Reimon einst in einer TV-Debatte mit Johann Gudenus (FPÖ) die Kurzsichtigkeit der europäischen Rechten in Bezug auf Klimaschutz. Denn wer nicht gegen den Klimawandel kämpft, schafft Millionen von zukünftigen „Klimaflüchtlingen“, die aus ihren Heimaten fliehen werden müssen, da sie ohne ausreichend Ressourcen unbewohnbar sein werden. Soziale und wirtschaftliche Fragen sind und bleiben somit der Kern des grünen Klimaschutzes.
Für die Grünen ist zudem klar: Die Wirtschaft sollte den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Die Milliardensummen an Profiten der Großkonzerne sollten so besteuert werden, dass alle einen gerechten Beitrag ins System zahlen. Momentan zahlen Unternehmen je größer sie sind umso geringere effektive Steuersätze. Die Rechnung zahlen dann vor allem all die hart arbeitenden Klein- und Mittelunternehmen und die EU-Bürgerinnen, die überhaupt erst die Milliardenprofite ermöglichen. Eine grüne Einstellung bedeutet in weiterer Folge, dass die EU als eine der weltweit mächtigsten Wirtschaftskräfte genügend Reichtum besitzt, um allen Bürgern Europas Zugang zu den bestmöglichsten Ressourcen zu ermöglichen. Das ist allerdings nur möglich, wenn Konzerne sich, so wie es Klein- und Mittelunternehmen und EU-Bürger tun, an die vorgegebenen Steuersätze halten. Steuerschlupflöcher müssen geschlossen werden und Steuerprivilegien für die größten und reichsten Unternehmen ein Ende finden. Viele fordern das, doch nichts ist bis jetzt geschehen! Allein die Cum-Ex Geschäfte hätten beispielsweise 55 Milliarden Euro Steuergeld ausgemacht, die nun in der Bildung oder Infrastruktur fehlen.
Eine grüne Vision bedeutet außerdem, dass soziale Mobilität in Europa gefördert werden muss. Erasmus ist nur ein Bruchteil dessen, was noch werden könnte. Ein modernes Europa sollte und könnte all seinen Bürgern und Bürgerinnen ermöglichen, den freien Dienst- und Personenverkehr auszukosten und in verschiedensten europäischen Ländern Arbeitserfahrung zu sammeln oder eine Ausbildung zu genießen. Von Studierenden bis hin zu Arbeitnehmern, vollkommen unabhängig vom Status der Eltern oder dem sozialen Umfeld.
Nun sollte ebenso erwähnt werden, dass genau die grüne Politik versucht, Mobilität ökologischer, nachhaltiger und sozialer zu gestalten, nur um das Beispiel der 365-Euro-Jahreskarte in Wien zu nennen. Wenn Grüne sich nun gegen gewisse Wasserkraftwerke und Schienenfahrprojekte stellen, bedeutet das also noch keineswegs, dass sie gegen Wasserkraft und Schienenverkehr sind, sondern an der Umsetzung bestimmter Projekte zweifeln. Genauso sind Grüne nicht gegen Urheberrechte, weil sie gegen Artikel 13 und 11 protestieren. Vielmehr sind sie gegen die konkrete Umsetzung und die fatalen Folgen, die diese Gesetzentwürfe und Projekte beinhalten. Grüne Politik fördert Nachhaltigkeit, wie in Schleswig-Holstein zu beobachten ist, wo unter grüner Führung durch erneuerbare Energie mehr Strom erzeugt als verbraucht wird.
Ebenso sollte man bedenken, dass trotz der medialen Darstellung anderer Parteien, die eher den Fokus auf das “Binnen-I” der Grünen legen als auf andere grüne Errungenschaften, genau die Grünen diejenigen sind, die sich auch auf der europäischen Ebene für eine konsequente Frauenpolitik einsetzen, die Frauen dieselben Ressourcen und Chancen zur Verfügung stellt wie Männern. Frauenhass und Gewalt gegen Frauen in allen Formen, ob nun wirtschaftlich, verbal oder physisch, sind nämlich keine Importprodukte, sondern eine systematische Unterdrückung, die sich über Ländergrenzen hinwegzieht und mit anderen Unterdrückungsformen im Zusammenhang steht. Wahre Freiheit währt nur, solange alle Menschen, unabhängig von ihrer Geschlechteridentität, Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung und sozioökonomischem Hintergrund, dieselben Chancen und Möglichkeiten erhalten. Wirtschaftliche Benachteiligung, niedrigere Abschlussquoten und soziale Stigmata für gewisse Bevölkerungsgruppen haben im Europa des 21. Jahrhunderts nichts verloren. In diesem Sinne würde in einem grünen Europa wahre Selbstbestimmung herrschen. Sie beginnt damit, dass Männer unbesorgt Lippenstift tragen dürfen, wenn sie möchten, und endet damit, dass Fehler im System behoben werden, die dafür sorgen, dass beispielsweise nur 4-7 % der in Österreich lebenden Personen mit ex-jugoslawischem oder türkischem Migrationshintergrund einen Hochschulabschluss besitzen.
Ein grünes Europa steht außerdem für ein digitalisiertes Europa, in dem nicht dieselbe Anzahl an Wochenstunden wie vor 30 Jahren gearbeitet wird, wenn sich doch die Produktion und Effizienz vervielfacht hat. Grün steht für ein modernes Europa, das nicht die Freiheit des Internets mit Upload-Filtern einschränkt, und für die Leute arbeitet – nicht die Konzerne.
Grün möchte ein geeintes Europa mit einer konsequenten Steuerpolitik schaffen, in dem nicht bloß die Mittelschicht und die Arbeiter die vorgegebenen Steuern zahlen, sondern auch jene Multimillionäre und Konzerne, die nur allzu gern Steueroasen aufsuchen. Ein Europa, das all seinen Bürgern und Bürgerinnen Selbstbestimmung und Freiheit schenkt und niemanden benachteiligt. Ein Europa, das die Klimakrise konsequent bekämpft und nicht auf dem Rücken ärmerer Staaten Wohlstand aufbaut. Ein Europa, das die Lebensqualität für alle erhält und gemeinsam das Gesundheitssystem, die Bildung, die Infrastruktur, die Forschung und die Kultur vorantreibt. Ein Europa, in dem der Wohlstand geteilt und nicht nur vererbt wird. Ein Europa, in dem es nicht darum geht, woher man kommt, sondern wohin man gehen will. Dafür steht ein grünes Europa.
Wahlkampfthemen
VON UNA NOWAK
- Umwelt- und Energiepolitik
- Wirtschafts- und Finanzpolitik
- EU-Reform
- Asyl- und Migrationspolitik
- Soziales
Umwelt- und Energiepolitik
Wie Bundessprecher Werner Kogler vor dieser Wahl betont, ist eine Rückkehr zu grünen Grundwerten unumgänglich und notwendig. Auch deshalb schreiben sich die Grünen den Umweltschutz einmal mehr besonders groß auf die Fahne. „Der vom Menschen verursachte Klimawandel ist die größte Herausforderung unserer Generation!“, betonen die Grünen. Dieser Klimaschutzkurs sei auch eine große wirtschaftliche Chance. Aktuell werden rund 54 Prozent des europäischen Energiebedarfs durch fossile Energieimporte
abgedeckt. In Österreich ist der Anteil mit 64 Prozent noch höher. „Wir haben keinen Planeten B!“, antworten die Grünen und machen sich speziell für die Nutzung erneuerbarer Energien stark. Dass eine weitere „industrielle Revolution“ gemeinsam gelingen kann, steht für die Partei außer Frage, solange die Nachhaltigkeit im Mittelpunkt steht.
Erneuerbare Energien
Dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 sollten endlich Taten folgen. Die Grünen wollen den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius begrenzen (im Vergleich zum vorindustriellen Niveau), ein europäisches Klimagesetz mit verbindlichen CO2-Budgets durchsetzen und die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent senken, um bis 2050 treibhausgasneutral zu sein. Die Grünen fordern in erster Linie einen Stopp der Investitionen öffentlicher Mittel in Kohle- und Atomkraft. Steuern dürften nicht für die Finanzierung fossiler Brennstoffe verwendet werden, da diese Mittel für nachhaltigere Lösungen verwendet werden könnten. Dringendst müsste Europa einen neuen Kurs einschlagen: Ein fairer CO2-Mindestpreis im Emissionshandelssystem, der die realen Kosten der CO2-Emissionen abbildet, ist essentiell für unsere zukünftige Energieversorgung.
Atomkraft
“Atomkraft? – Nein Danke!”, heißt es auch diesmal von den Grünen. Bis 2030 wollen sie ein atomkraftfreies Europa ermöglichen. Dazu fordern sie einerseits einen Stopp für die Finanzierung neuer AKWs durch europäische Gelder und andererseits simultan den Abbau der schon vorhandenen Atomkraft. Bei Unfällen sollen außerdem Konzerne, die AKWs bauen oder auch betreiben, für alle Risiken haften. Solche Risiken könnten laut aktuellen Schätzungen bis zu 400 Milliarden Euro pro Reaktor betragen. Ein weiterer wichtiger Baustein der grünen Anti-Atom Politik ist auch die Abschaffung des Euratom-Vertrags, der die Weiterentwicklung einer „mächtigen“ Atomindustrie stützt und laut den Grünen längst nicht mehr zeitgemäß ist.
Mobilität
Fossile Treibstoffe im Verkehr und Transport sind mitverantwortlich für den rapiden Anstieg von Treibhausgasen und Feinstaub in der Atmosphäre. Daher setzen sich die Grünen besonders für Elektromobilität ein. Dekarbonisierung allein reicht jedoch nicht. Schienenverkehr vor Straßen- und Flugverkehr! Wer innereuropäisch reist, der werde durch billige Tickets zum Fliegen verlockt, statt die umweltfreundlichere Bahn zu nutzen. Die Grünen wollen daher den Bahnverkehr schneller, günstiger und einfacher gestalten, das europäische Eisenbahnnetz standardisieren und ausbauen. Durch Kerosinbesteuerung sollen gleichzeitig die Privilegien im Flugverkehr abgeschafft werden. In der Autoindustrie fordern die Grünen ambitionierte CO2-Grenzwerte für Neuwagen, eine Forcierung der europäischen Strom-Ladeinfrastruktur und eine europaweite Quote für abgasfreie Neuwagen.
Plastik
Ein Europa ohne Plastikmüll, mit sauberen Meeren und sauberer Natur – das ist die Vision der Grünen. Bis 2030 will die Partei den Verpackungsabfall in der EU um 50 Prozent reduzieren und eine EU-weite Steuer auf Plastikprodukte einführen. Das soll die Zeit bis 2030 überbrücken, wenn alle in der EU in den Verkehr gebrachten Kunststoffprodukte wiederverwendbar, komplett abbaubar oder zumindest kosteneffizient recycelbar sein sollen.
Lebensmittel
Nur eine nachhaltige, ökologische Landwirtschaft bietet die Basis für gesunde Lebensmittel und eine gesunde Umwelt. Nachhaltige Landwirtschaft hilft nachweislich, Emissionen zu reduzieren, Bienen bzw. Insekten zu retten, ländliche Gebiete wiederzubeleben und unsere Lebensmittel gesünder zu machen. Zur Umsetzung braucht es für die Grünen eine konsequente Neuausrichtung, hin zu einer europäischen Agrar- und Ernährungspolitik, die im Einklang mit den europäischen Zielen in der Klima-, Umwelt-, und Entwicklungspolitik steht.
Landwirtschaft
Jährlich wird die europäische Landwirtschaft mit über 60 Milliarden Euro subventioniert. Der Großteil des Geldes fließt dabei in die Industrialisierung, Exportorientierung und Großbetriebe. Für diese Vergabe der Gelder auf EU-Ebene wollen die Grünen klare Regeln. Außerdem fordern sie den völligen Stopp besonders giftiger Pestizide in der Landwirtschaft und setzen sich für die Abschaffung von Patenten auf Tiere und Pflanzen in der Lebensmittelindustrie ein, da sie eine Monopolstellung einiger weniger mächtiger Agrarkonzerne ermöglichen.
Gentechnik
Die Grünen fordern eine EU-weit einheitliche Kennzeichnungsregelung für alle Gentechnik-Produkte, die auch Lebensmittel von Tieren, die mit Gentechnik-Futter ernährt wurden, umfassen soll. Für Konsumenten soll klar ersichtlich sein: Wie schauen die Bedingungen aus, unter denen die Tiere gehalten wurden? Woher kommt der tierische Anteil? Neue Gentechnikverfahren sollen außerdem europaweit vom Europäischen Gerichtshof geprüft werden. Für Konzerne, die durch die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen schäden anrichten, fordern die Grünen strengere Haftungsregeln.
Tierschutz
Im Wettkampf um die niedrigsten Lebensmittelpreise leiden vor allem die Tiere. Die Vergabe von EU-Förderungen soll sich deswegen an Tierwohl-Kriterien orientieren, Tiertransporte für Schlachttiere auf maximal vier Stunden begrenzt und das Tierversuchsverbot ausgeweitet werden. Außerdem fordern die Grünen eine nachhaltige EU-Fischereipolitik.
Wirtschafts- und Finanzpolitik
Nur mit gemeinsamen europäischen Lösungen könne die Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre bewältigt werden. Die Grünen fordern dabei vor allem mehr Verantwortung für Großkonzerne, denn es könne nicht sein, dass die immensen Kosten der Krise auf die Schwächsten der Gesellschaft abgewälzt werden.
Steuern
Das gegenseitige “Runternivellieren” von Steuersätzen, das Steuerdumping, um Großunternehmen einen noch und noch attraktiven Wirtschaftsstandort zu bieten, ist für die Grünen ein gefährliches Spiel. Die Grünen lehnen dieses Spiel darum strikt ab. Um gegen Steuerdumping vorzugehen, fordern die Grünen eine Verschärfung der aktuell bestehenden Schwarzen Liste für Steueroasen in der EU. Sie verlangen darum eine stärkere Überwachung der Liste und schärfere Konsequenzen bei einem Eintrag. Generell fordern die Grünen auch eine Verschärfung des europäischen Wettbewerbsrechts und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Spekulationen sollen so verhindert werden, während das zusätzliche Geld für wichtige Bereiche genutzt werden kann: Forschung, Armutsbekämpfung und Bildung.
Fiskalpolitik
Ausgaben für langfristige sozial-ökologische Investitionen sollen nicht unter die restriktiven Regeln des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts fallen, um zu verhindern, dass Schuldenabbau zu lasten notwendiger Zukunftschancen geht. Lieber ein wenig mehr Schulden und dafür wichtige Investitionen in die Zukunft.
Faires und nachhaltiges Wirtschaften
Hier kommt der oft erwähnte „Green New Deal“, eine Herzensangelegenheit der Grünen, ins Spiel. Wie Bundessprecher und Spitzenkandidat Werner Kogler betont, handelt es sich dabei um ein Investitionsprogramm mit neu gesetzten Prioritäten zur Finanzierung und Nutzung von Investitionen in grenzüberschreitende Zugverbindungen, erneuerbare Energien und nachhaltige Innovationen. Dadurch sollen eine wirtschaftliche Perspektive für alle Europäerinnen und Europäer und insbesondere auch Arbeitsplätze geschaffen werden.
Urheberrecht
Ungeachtet aller Proteste haben sich die EU-Staaten erst kürzlich auf eine umstrittene Urheberrechtsreform geeinigt. Die grüne Partei sieht speziell durch automatisierte Upload-Filter (die das Gesetz nicht explizit vorschreibt, aber für seine Einhaltung notwendig werden) zur Überprüfung von Verstößen gegen den Urheberrechtsschutz einen massiven Eingriff in die freie Informations- und Meinungsverbreitung. Nur große Konzerne könnten sich solche Filter leisten. Für kleine soziale Netzwerke bedeute die Reform das Aus. Nicht-kommerzielle Medienarchive, wie jenes von Wikipedia, wären damit in ihrer Existenz bedroht.
EU-Reform
Die Grünen fordern eine Sozialunion, ein stärkeres und transparenteres EU-Parlament und eine Bekennung zum Friedensprojekt Europa.
Sozialunion
Ein würdevolles Leben aller Menschen in der EU steht im Mittelpunkt. Verlässliche soziale Rechte seien die Voraussetzung dafür, dass Binnenmarkt und Währungsunion im Interesse der Menschen wirken. Es brauche die Sozialunion als Gegengewicht zur reinen Wirtschafts- und Währungsunion mit europaweiten Standards bei Löhnen, Einkommen und Arbeitslosigkeit. Die Mindestlöhne, die in den EU-Mitgliedstaaten derzeit gezahlt werden, variieren stark. Nicht alle Mitgliedsländer haben einen Mindestlohn. Um also Lohndumping in der EU zu verhindern, setzen sich die Grünen für eine Mindestlohn-Richtlinie ein. Die Höhe der Löhne soll das Medianeinkommen des jeweiligen Landes sein. Ein großes Vorhaben.
Europaparlament
Das Europäische Parlament soll in allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat entscheiden können. Um die europäische Gesetzgebung zu vereinfachen, setzen sich die Grünen schon seit den letzten EU-Wahlen auf einen Umbau des Ministerrats zu einer „Länderkammer“ ein. Diese Kammer soll zusammen mit dem Europäischen Parlament die Legislative bilden. Außerdem sollten Bürgerinnen und Bürger in Zukunft Klarheit über den Lobbyeinfluss auf Gesetze bekommen. Ein weiteres Anliegen der Grünen sind transnationale Listen, bei denen Kandidatinnen und Kandidaten über Ländergrenzen hinweg gewählt werden können. Diese könnten Ländergrenzen sprengen, eine EU-weite Öffentlichkeit aufbauen und eine gesamteuropäische Politik fördern.
EU als Friedensprojekt
Eine gemeinsame Außen- und Friedenspolitik scheint für die Grünen unumgänglich, nicht zuletzt, um den Frieden zu wahren. Die Partei fordert die sofortige Einstellung von Waffenexporten an Diktatoren und Kriegsparteien. Europa sollte sich aktiv für die internationale Abrüstung einsetzen, einschließlich des Verbots von Atomwaffen. Europa dürfe keine Gewinne aus skrupellosen Exporten von Rüstungs- und Überwachungstechnologien an Diktatoren oder Kriegsparteien erzielen. Strenge Exportrichtlinien sollen strikt durchgesetzt werden.
EU-Haushalt
Die EU soll sich künftig großteils aus Eigenmitteln wie Steuern auf Umweltverschmutzung oder Ressourcennutzung finanzieren. 50 Prozent des EU-Budgets sollen Klima- und Umweltschutzkriterien gewidmet sein.
Asyl- und Migrationspolitik
Die Grünen wollen sich wieder auf humanitäre Grundwerte besinnen und eine effektive, europäische Lösung finden. „Das Recht auf Asyl ist nicht verhandelbar“, lautet die grüne Devise. Europa ist gemäß der Grünen ein Einwanderungskontinent. Migration ist für sie eine absolute Notwendigkeit, um eine immer älter werdenden Gesellschaft entgegenzuwirken.
Asyl
Es sei dringend erforderlich, eine gerechte Alternative zum derzeitigen Dublin-System zu entwickeln. Denn mit der aktuellen Regelung sind vor allem Mitgliedstaaten an der EU-Außengrenze für Flüchtlinge zuständig. Kontrollen an den Außengrenzen müssen sicherstellen, dass bedürftige Menschen einen Asylantrag wirksam und rechtsstaatlich stellen können und Zugang zu einem Asylverfahren haben. Legale Einreisemöglichkeiten sollen gefördert und nicht abgebaut werden. Alle EU-Mitgliedstaaten würden von einer fairen Aufteilung aller Schutzsuchenden profitieren. Die Partei will auch Umsiedlungen und humanitäre Visa für Flüchtlinge in Drittländern einführen. Das Europäische Parlament, nicht die Mitgliedstaaten, sollte die Kontrolle über Grenzkontrollen, formelle und informelle Abkommen mit Drittländern und die Asyl- und Migrationspolitik haben.
Soziales
Gleichberechtigung
Die Gleichstellung der Geschlechter war schon immer eine der grünen Prioritäten. Noch immer sind die Lohn- und Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern ein Problem. Mithilfe eines Maßnahmenpakets soll der sogenannte „Gender Pay Gap“ schnellstens so weit wie möglich geschlossen werden. Die Grünen fordern auch ein verpflichtendes Quotensystem auf Führungsebene in börsennotierten und staatsnahen Unternehmen ein.
LGBTQIA+
Nach wie vor sind Lesben, Schwule, Bisexuelle, Intersexuelle und Transgender teils täglich Opfer von Diskriminierung auf unterschiedlichen Ebenen. Die Grünen, die seit den Gründungszeiten ein Sprachrohr für Mitglieder der LGBTQIA+ Gemeinschaft sind, setzen sich stark für ein Leben ohne Angst und mit Chancengleichheit ein.
Gesundheit
Die EU sollte die Mitgliedstaaten dazu bringen, gesundheitliche Ungleichheit abzubauen. Die Partei fordert die Mitgliedstaaten auf, kostenlose und frei zugängliche, qualitativ hochwertige und sichere sexuelle und reproduktive Gesundheitsversorgung für alle zu garantieren und verstärkt Forschungsgelder in Gendermedizin zu investieren.
Ausbildung & Austausch
Erasmus+ ist den Grünen nicht genug: Sie fordern eine Ausweitung aller Austauschprogramme, um Kultur- und Sprachkompetenz zu fördern. Alle Jugendlichen sollen ohne Ausnahme die Chance auf ein internationales Bildungsjahr haben.
Who is Who
Werner Kogler: Kogler ist Spitzenkandidat und Bundessprecher der Grünen seit 2017, gelernter Volkswirt und Budget-, Finanz- und Rechnungshofsprecher der Grünen.
Sarah Wiener: Die geborene Deutsche ist Großbäuerin und Fernsehköchin. Sie will sich insbesondere für nachhaltige Landwirtschaft, gesunde Ernährung und Biodiversität einsetzen. Für die Grünen kandidiert sie auf dem zweiten Listenplatz.
Monika Vana: Die gelernte Wirtschaftsinformatikerin ist seit 2014 Abgeordnete zum Europäischen Parlament und dort auch Mitglied im Ausschuss für die Rechte der Frau. Für die Wiener Grünen war sie acht Jahre lang Frauensprecherin. Vana setzt sich speziell für die Gleichstellung der Geschlechter und weitere feministische Ziele ein.
Thomas Waitz: Waitz ist Biobauer und Mitglied des Ausschusses für ländliche Entwicklung im Europäischen Parlament. Waitz’ Lieblingsthema ist die Landwirtschaft, die natürlich auch Tierschutz, Lebensmittelqualität und die Bekämpfung des Klimawandels umfasst.
Olga Voglbauer: Voglbauer ist studierte Landwirtin und Listenerste der Kärntner Grünen. Der politische Schwerpunkt der Biobäuerin liegt klar bei der ökologischen Landwirtschaft und beim Schutz der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen.
Michel Reimon: Der ehemalige Journalist und Aktivist ist seit 2014 Abgeordneter zum Europäischen Parlament und Kommunikationsberater. Reimon machte sich insbesondere durch seinen Auftritt in den sozialen Medien einen Ruf.